Edith Futscher
Birgit Jürgenssen. Körperprojektion (Der Magier Houdini)
In: Sabine Mostegl, Gudrun Ratzinger (Hrsg.): Ausst.-Kat. MATRIX. Geschlechter/Verhältnisse/Revisionen. (Wien, New York: Springer, 2008), S. 136-137.

Enigmatisches hat Birgit Jürgenssen im Jahr 1988 auf Teile ihres Körpers, auf ihre nackte Haut projiziert und diese flüchtigen Bilder in großformatigen Fotografien festgehalten. Es sind Zeichen einer so genannt rätselhaften Weiblichkeit: Sphingen (ph966), Tierhaftes (ph1732) , Zeichen für Himmelskörper (ph34) und auch Körperschatten (ph1730). Viele dieser Fotografien sind im gemeinsam mit Lawrence Weiner gestalteten Künstlerbuch I met a stranger (1996) verwendet worden. Darin wird ein Blick-Drama ausgearbeitet: Beschriftete Seiten - „They looked at me (again)"- mit gerahmten Cut-Outs geben partiell den Blick auf die Fotografien des folgenden Blattes, auf Haut und Körper frei. Unheimlichkeit ist der Grundton sowohl des Buches als auch der Houdini-Projektion. Nur schwer entzifferbar ist in der grobkörnigen Farbfotografie das auf den Unterleib geworfene Bild des berühmten Magiers und Entfesselungskünstlers, der sich mit ausladener Geste nebst mannsgroßer Säge zwischen die zwei Teile einer vorgeblich auseinander gesägten liegenden Frau platziert hat. Etwas Ungeheuerliches geht hier vonstatten, das einer Täuschung geschuldet ist und keineswegs dem Reich eines Übernatürlichen zugerechnet werden sollte. Jürgenssens Körper, der um die Hüften von Tüchern bedeckt ist, die Körperausschnitt und Bild gleichsam einen Sockel geben, von Textil das an erotische Darstellung des Badens aus dem Frankreich des 19.Jahrhunderts erinnert, hat Teil an der Inszenierung des Blick-Dramas auf Geschlechtliches: Ihr Nabel erscheint als Auge (eines Dritten), als detektivischer Blick - just in der Region von Houdinis Geschlecht. Dieser Nabel lässt sich als verkehrtes Bild eines Auges und Blickes an Stelle einer doppelten Lücke lesen: So wie Jürgenssen mit ihrem Unterleib die in die Vertikale gekippte Lücke im Körper der entzweiten Frau als deren Bildträger zu schließen sucht, so ergänzt sie den Trick Houdinis und den Blick der Betrachter um ein Zeichnen heimlicher, wachsamer Beobachtung, um einen Gegenblick.

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