Peter Weibel
Peter Weibel über Birgit Jürgenssen
In: Ausst.-Kat. La casa, il corpo, il cuore. Konstruktion der Identität (Wien: Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, 1999), S. 300-303.

Der Schuh kann ein Signifikant des Geschlechts sein, denn Stöckelschuhe gelten als 'weibliche' Schuhe. Aber Schuhe sind auch die bekanntesten Fetischobjekte, die vom Phallischen bis zu S/M- Fantasien eine große Bandbreite von libidonalen Energien abdecken.
Der Schuh, zur Größe eines Stuhls geworden (s15), repräsentiert darüber hinaus im Gehen auch seinen Aspekt des Gebrauchswerts.
Ein Küchenherd vermag ebenfalls alle diese drei Aspekte in sich zu vereinigen, nämlich Gebrauchswert, Fetischobjekt und Signifikant des Sexus zu sein. Wenn allerdings dieser Küchenherd als dreidimensionale Schürze (s51) um einen weiblichen Leib gebunden ist und im geöffneten Backrohr ein Laib Brot zu sehen ist, dann verschwindet der Gebrauchswert und die Phantasmen des weiblichen Körpers, von der Schwangerschaft bis zur Sklavin, steigen auf. Ein Gebrauchswert verwandelt sich offensichtlich in einen libidonalen Wert. Der gewöhnliche Herd wird zum geheimnisvollen Objekt der Begierde. So sehr der Herd auch scheinbar als Schürze den Körper verstümmelt und beschwert, desto deutlicher entbirgt er gleichzeitig die sexuellen Appellationen des weiblichen Körpers. Aus dem heimeligen des Herdes steigen heimliche und unheimliche Düfte und Phantasmen auf. Der Herd verstört also insoferne, als er die Reduktion der Frau zur Hausfrau entgegen seinem Auftrag nicht verstärkt sondern im Gegenteil aus der Alltäglichkeit und Gefangenschaft einer ethnografischen Häuslichkeit bzw. Hausfraulichkeit entlässt. Der Herd ist also ein Signifikant, der in der Fetischierung erst recht Fragen des Geschlechts provoziert.

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