Rainer Metzger
Der Ursprung des Kunstwerks
www.artmagazine.cc, 17.3.2004.

Noch immer ist der traurigste aller Anlässe, der Tod, gut fürs Weiterkommen. Solche Karrieren nennt man dann posthum, und es sieht ganz so aus, als ereilte dieser Mechanismus jetzt Werk und Person der Birgit Jürgenssen. Man muss hier nicht wiederholen, welch gute Künstlerin sie war, wie früh und vor allem wie deutlich avant la lettre sie auf der Klaviatur der Gender Troubles spielte. Und ganz offenbar hatte sie zu gute Manieren, um daraus eine jener lauten Laufbahnen zu zimmern, in denen sich die Kalküle mit dem Du-hast-keine-Chance-aber-nütze-sie nur so aneinanderreihen. 

Welche gute Künstlerin Birgit Jürgenssen war, läßt sich allein schon in der kleinen feinen Studioausstellung des MAK erspähen. Eine einzige Facette ihres Oeuvres, eine um 1974 in Angriff genommene und bald auch wieder beiseite gelegte, lotet sie aus, die Beschäftigung mit dem Prinzip Fussbekleidung. Das "Schuhwerk" wird mithilfe des längst allfälligen "Schuhsessels" (s15), skurriler Zweckentfremdungen diversten Materials - Rost (s3), Brot (s8), Porzellan (s12), ein toter Vogel (s9)- und noch phantastischeren Zeichungen erschöpfend vorgeführt. Die Konzentration auf einen Aspekt, die Abgeschlossenheit des Werkkomplexes und die gelinde Allgemeinverbindlichkeit des Themas sorgen gleichsam von selbst für eine wunderbare Präsentation.  mehr

"Das Zeug, z.B. das Schuhzeug" hatte es dem alten Heidegger einst besonders angetan, als er über den "Ursprung des Kunstwerkes" nachdachte. Es war das "Zeugsein des Zeuges, die Verläßlichkeit", und es war ein Gemälde van Goghs, in dem er seine Bauernschuhe porträtierte, worauf Heideger speziell Bezug nahm. Es war vor allem die rustikale Benutzbarkeit, das Heimelige und Heimatliche, auf dem er seinen Kunstbegriff aufbaute. 

Wenn sich nun bei Birgit Jürgenssens Schuhwerk etwas schätzen lernen läßt, dann ist es weniger das Subversive und das Feministische, das die Schau vollmundig im Subtitel führt, als die Tatsache, dass die menschlichen Untersätze bei ihr gerade kein Zeug sind. Da ist nichts rustikal. Es ist im Gegenteil exquisit, raffiniert, elegant. Vielleicht läßt sich gerade darin Birgit Jürgenssens Singularität im Österreich der Siebziger Jahre, der künstlerischen Landpomeranzen und Möchtegern-Dandys, greifen: Ihr Werk ist mondän. Viel mehr noch: es ist urban.

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