Nicole Scheyerer
KUNST KURZ von Nicole Scheyerer
In: Der Falter, 50/06.

Von der früh verstorbenen Birgit Jürgenssen (1949-2003) war nach ihrem Tod erst eine kleine thematische Schau im MAK zu sehen. Die längst fällige Retrospektive steht noch aus. Was für Schätze der Nachlass der Künstlerin birgt, davon gibt die tolle Ausstellung in der Galerie Winter (bis 13.1.) jetzt einen Eindruck. Gezeigt werden Fotoarbeiten, Rayogramme, Polaroids und Solargrafiken, allesamt Experimente mit Bildtechniken, in denen die Künstlerin während der Siebziegerjahre ihre Rollenspiele durchexerzierte. Einen starken Hang zum Surrealismus (mit feministischer Schlagseite) weisen Jürgenssens Selbstinszenierungen auf. Waren das anfangs noch schlichte Aufnahmen mit der Kamera im Badezimmerspiegel (ph673), so kamen bald Requisiten hinzu. Als bezaubernd füchsisches Geschöpf (ph679) taucht die junge Künstlerin auf, dann wieder als Totenfrau (ph7). Jürgenssens Maskerade zeichnet von Anfang an eine elegante Leichtigkeit und Humor aus. So montiert sie etwa einen Busen auf das Foto eines Arms (ph23), wo sich eigentlich ein Bizeps wölben sollte. Dass es Jürgenssen um die Form mindestens ebenso stark wie um Inhalte ging, zeigen ihre feinen Solargrafiken (sp64). In einem langsamen Verfahren bleichte die Künstlerin hier Figuren aus Blaupapier, die sie auf raffinierte Weise überlagerte.

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