Gabriele Schor
"Ich bin." Zum Wandel künstlerischer Eigenidentität bei Birgit Jürgenssen
In: Gabriele Schor, Abigail Solomon-Godeau (Hg.). Birgit Jürgenssen. Ostfildern: Hatje Cantz, 2009.

»Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu.« Ödön von Horváth

»Nie ganz dieselbe, noch gänzlich eine andere.« Paul Verlaine

»Wie erfährt man sich im Anderen, das Andere in sich? « Birgit Jürgenssen1

Im Oeuvre von Birgit Jürgenssen gibt es zwei Arbeiten, die jeweils ein Ich thematisieren, jedoch unterschiedlicher nicht sein könnten.Die augenscheinliche Differenz liegt in der An- und Abwesenheit der Künstlerin selbst. In einer Fotografie von 1976 drückt sie ihr Gesicht und ihre Handflächen gegen eine Glasscheibe, auf der geschrieben steht: »Ich möchte hier raus!« (ph17). In einer neunzehn Jahre später entstandenen Arbeit verzichtet die Künstlerin gänzlich auf ihre visuelle Präsenz – was bleibt, ist ihre Handschrift, ihr kultureller Index. Auf einer kleinen Schultafel steht mit Kreide geschrieben: »Ich bin.« (s46) Hier liegen uns zwei grundlegend verschiedene Ich-Konzeptionen vor, die in ihrem künstlerischen Werk einenWandel erkennen lassen. Würden wir der Strecke dieser zwei Jahrzehnte folgen, uns den Wandel der Ich-Bedeutungen bei Jürgenssen näher ansehen, das Wechselspiel jener Differenzen und Wiederholungen als drei Etappen auffassen, nämlich die des Aufbegehrens, der Überschreitung und der Selbstvergewisserung, dann wäre immer noch nicht alles gesagt, was die Fülle ihres Oeuvres ausmacht. Es wäre aber ein Anfang. mehr

BÜRGERLICHE ORDNUNG / PATRIARCHAT

In der Bibliothek von Birgit Jürgenssen befindet sich ein Lehrbuch der französischen Sprache aus der Zeit um 1900,welches ihrer Mutter gehörte. Deren Name ist durchgestrichen und daneben steht mit Kinderhand geschrieben:»Birgit Jürgenssen. 2.Klasse.« Offenbar hat die Künstlerin während ihrer Volksschulzeit Mitte der 1950er-Jahre damit gearbeitet. Die Illustrationen,mit denen die Vokabeln leichter zu memorieren waren, haben sie vermutlich angesprochen. Interessant ist aber weniger die unmittelbare Lehrmethode, sondern der Inhalt, der den Schülerinnen unterschwellig vermittelt wurde. Im Kapitel»Le Salon« sehen wir ein Szenariumbürgerlicher Ordnung:»le père« sitzt an seinem Schreibtisch, »la mère« stickt an einem Stoff und »l’enfant« spielt Klavier – perfekter kann es kaumsein. Entsprechend dem Fortschrittsdenken des beginnenden 20. Jahrhunderts manifestiert sich – selbst in dieser privaten Sphäre – ein leistungsorientierter Verhaltenskodex, der nach geschlechtsspezifischer Körperhaltung verlangt. Während nämlich Vater und Kind den Rücken relativ entspannt gebeugt haben, sitzt die Mutter – in ihrer Vorbildfunktion für andere Hausfrauen – selbstverständlichmit strammem Rücken aufrecht bei der Arbeit. Jede einzelne Person ist auf sich selbst bezogen, keine ist einer anderen zugewandt, sprachlose Tristesse liegt in der Luft, die selbst der Klang des Klaviers nicht aufmuntern kann. Ein paar Seiten weiter werden wir belehrt, dass der eigentliche Arbeitsplatz der Hausfrau »[dans] la cuisine«–am Herd sei.2

Im Jahre 1975, auf dem Höhepunkt der»first wave«-Frauenbewegung, schafft Birgit Jürgenssen das markante Objekt Hausfrauen-Küchenschürze (s51), das einen Herd darstellt und noch im selben Jahr in der von Valie Export kuratierten Ausstellung MAGNA – Feminismus: Kunst und Kreativität zu sehen war. Gekleidet alsHausfrau, hängt sich Birgit Jürgenssen den Herd um den Hals und trägt so die Last und Bürde der vom Patriarchat gesellschaftlich zugewiesenen eindimensionalen Hausfrauenrolle. Bewusst nimmt sie sich mit dem Objekt so auf, dass sie die Fotografien zu einem Diptychon zusammensetzen kann: frontal und im Profil – wobei der hängende Herd als Metapher für Schwangerschaft und das herausragende Brot als Phallusanspielung gelesen werden können. Die anachronistische Form des Herdes spiegelt wohl die Ästhetik des Schulbuches wider, aber indem die Künstlerin Person und Gegenstand aus der sozialenUmgebung isoliert und vor einen neutralen Hintergrund stellt, transformiert sie die vermeintlich idyllische Atmosphäre des bürgerlichen Heims in die »Ästhetik« der Kriminalfotografie. Die Frau und der an ein Korsett erinnernde, ihrem Körper zugewachsene, funktionale Gegenstand werden schonungslos dem visuellen Zugriff ausgesetzt.

Beim Durchforschen von Birgit Jürgenssens Archiv fällt auf, dass die Künstlerin gern vieles aufbewahrte. Sie hegte eine Leidenschaft für Papiersorten (manchmal ließ sie sich aus Japan welches zuschicken), liebte Bücher und sammelte Kunstzeitschriften, in denen sie oft zur Markierung von Artikeln oder Abbildungen Zettelchen einlegte. Im Interview mit Doris Linda Psenicnik spricht sie von ihrer Arbeitsmethode, dass sie sich einen»Fundus«angelegt habe, von demsie sich inspirieren ließe. Offenbar war das französische Lehrbuch Teil ihres Fundus. Denn wie sehr es der Künstlerin ein Anliegen war, uns die ideologische und ästhetische Verbindung zwischen der nett eingerichteten bürgerlichen Welt ihres Schulbuches und ihrer später entstandenen Hausfrauen-Küchenschürze mitzuteilen, zeigt, dass die Künstlerin absichtlich beide Abbildungen in dem von ihr zusammengestellten Ausstellungskatalog Früher oder Später von 1998 nebeneinander positioniert hat.3 In dieser Gegenüberstellung gewährt uns Jürgenssen Einblick in denmentalen Horizont des sozialen Feldes, dem sie sich als Kind ausgesetzt sah. Eine Fotografie, auf der sie in der Klasse der von ihr besuchten Volksschule Notre Dame de Sion zu sehen ist, veranschaulicht nicht minder den Disziplinierungs- und Konformitätszwang jener Zeit. 

Als ironisch entlarvende Antwort auf eine derartig beklemmende soziokulturelle Enge kann die Zeichnung Mit der Bahn heute in eine bessere Zukunft (z137) von 1973 gelesen werden. Ein Kind nützt den kurzenMoment, in dem die Mutter ihren kontrollierenden Blick abwendet, und springt aus dem Kinderwagen in die Zukunft. Während das Kind es scheinbar gerade noch schafft, auf den Zug aufzuspringen, der ihm eine andere, vermutlich bessere Welt verspricht, blickt die Mutter erst gar nicht mehr in Richtung Freiheit. Es macht keinen Sinn mehr, sie hat den Glauben daran längst aufgegeben und so verharrt sie in ihrer reglosen Körperhaltung als Ausdruck gesellschaftlicher Konformität. Doch wie sieht die verheißene Welt für das Kind aus? Die zwei Vögel oben auf der Plakatwand mögen davon ein Lied singen, ein Lied von Liebe und Zweisamkeit.

In der Gegenüberstellung adoleszenter Domestizierung und trostloser Konformität einerseits und der desillusionierenden Darstellung von Person und Gerätschaft andererseits protestiert die Künstlerin gegen die kalkulierte »Mikrophysik der Macht« (Michel Foucault). In surrealer Wechselwirkung von realer Welt und imaginärem Bildraum begegnen wir derselben Künstlerin, die mit Humor und Fantasie einen anderen Raum eröffnet, welcher den Gegenentwurf zur vorgefundenen entfremdetenWelt ankündigt. Dieser Gegenentwurf wird sich in den kommenden drei Jahrzehnten in unterschiedlicher Weise durch Bleistift, Farbstift und analoge Kamera manifestieren, aber immer auf Papier.

SCHICKSAL HAUSFRAU

Eine wesentliche Forderung der Frauenbewegung in den 1970er-Jahren war es, das Private als etwas Politisches zu begreifen. Damit wurden erstmals die konkreten Anliegen der Frauen öffentlich diskutiert: Schwangerschaft, Gebären, Mutterschaft, Sexualität, Partnerschaft, Diktat der Schönheit, eigener Körper, Vergewaltigung, unentgeltliche Haus- und Erziehungsarbeit, Geschlechterhierarchie bei Löhnen und Gehältern. Viele Künstlerinnen nahmen diese Themen in ihre Arbeiten auf: Martha Rosler brachte die Video-Performance Semiotics of the Kitchen (Semiotik derKüche) hervor, Renate Bertlmann nahm eineHochzeitsgesellschaft humorvoll aufs Korn und Eleanor Antin hinterfragte in ihrem Video Representational Painting die normative Logik von Schminke und Büstenhalter. Trotz gemeinsamer Losungen gab es wie in jeder politischen Bewegung unterschiedliche Auffassungen. 4

Den restriktiven Vorstellungen mancher Feministinnen entsprechend, wie der Habitus einer emanzipierten Frau zu sein habe, wurde Birgit Jürgenssen öfters vorgeworfen, sie kleide sich zu modisch und schminke sich sogar (sic!). In diesem Kontext kann das bewusst mit Lippenstift auf den Rücken aufgetragene Jeder hat seine eigene Ansicht (ph16) als Jürgenssens ironische Kritik am rigiden Flügel feministischer Bewegung gedeutet werden. In einer forcierteren Weise konterte Hannah Wilke mit ihrem legendären Plakat Marxism and Art. Beware of Fascist Feminism. 5

Birgit Jürgenssen schuf einige provokante Hausfrauen-Zeichnungen, die heute zu den Hauptwerken dieser feministischen Avantgarde gezählt werden. Die Zeichnung Fensterputzen (z400) thematisiert die enttäuschend weit auseinander driftende Differenz zwischen dem »Glücksversprechen der Ehe« und dem »Elend des Alltags«. 6 Die verführerische Palette stereotypen Begehrens (von Statussymbolen wie Auto, Urlaubsreise, Pelzmantel) indoktriniert und reproduziert ein Wunschdenken, welches die Hausfrau an ihre alltägliche Realität bindet. Was bleibt, ist der nüchterne Alltag – die Pflichten einer Ehefrau (z410), Bügeln (z963), Bodenschrubben (z402) – und natürlich die gute Miene zum bösen Spiel: Wenn der Hausfrau das Lächeln vergeht, dann übt sie es in Cheese (z414) vor dem Spiegel. Die Zeichnung Bügeln verweist einerseits auf die Last einer gängigen Hausfrauenarbeit, kann andererseits aber auch als Metapher für »Alles-glatt-Bügeln« aufgefasst werden: Im trauten Heim die heile Welt herstellen zu wollen, während draußen der raue Wind weht (dargestellt im gerahmten Bild hinter der bügelnden Frau). Die materielle Einheit von weiblichem Körper, Kleidung und Tisch legt den erweiterten Gedanken nahe, dass die Hausfrau nicht nur ihre unmittelbare Umgebung, sondern auch sich selbst glatt bügelt. Hier stoßen zwei Sphären sinnbildlich aufeinander: die normiert und konformistisch glatt gebügelte Welt und die Welt der Falten, in der mannigfaltige Individualität sehr wohl zur Entfaltung gelangen kann.

Der Lebensentwurf »Hausfrau« in seiner Ausschließlichkeit, also die existenzielle Reduktion des Menschen auf Hausarbeit, beinhaltet demnach denVerlust persönlicher Entfaltungsmöglichkeit. Dieser Verlust wird auch in einer anderen Hausfrauen-Zeichnung visualisiert (z966). Ein alltägliches Utensil der Hausfrau, nämlich ein schmutziges Geschirrtuch, fungiert als eigener Raum im Bild, innerhalb dessen der Oberkörper einer Hausfrau zur Büste erstarrt. Das Gesicht, der Hals, der ganze Oberkörper der Frau ist übersäht mit Rastermustern. Hier werden Haut und Gewand der Frau subtil mit einer normierten, gleichförmigen, zentrumslosen, zellenförmigen Fläche überzogen als Hinweis darauf, dass der Lebensentwurf »Hausfrau«kein anderes Leben außerhalb desselben in Aussicht stellt. Die faltenlose Welt vereint sich mit der Welt der Einkerkerung. Bemerkenswert an dieser Zeichnung ist, dass dem Raster als avantgardistische Kunstpraxis der Moderne anthropomorphe und narrative Qualität verliehen wird. Die Kunsthistorikerin Rosalind Krauss warf dem Raster (»grid«) vor, »als Ort des Schweigens« seinem »antireferentiellen Charakter« und »seinem Widerstand gegen jegliche Form von Erzählung« zu verfallen. 7 

Bedenken wir, dass Hausarbeit im Gegensatz zu Lohnarbeit unentgeltlich ist und damit die Entwertung der Frau im Haushalt mit ihrer allgemein entwerteten Position in der Öffentlichkeit einhergeht. Peter Weibel gibt in seiner Analyse von Birgit Jürgenssens Hausfrauen-Zeichnungen zu verstehen:» Der weibliche Körper ist [...] ein Territorium der männlichen Hegemonie und damit ein Feld der Kolonialisierung. [...] Die Zeichnungen zeigen die sozial konstruierte Weiblichkeit als Leidensspur einer jahrhundertealten Diktatur.« 8 Da können schon mal Lynchfantasien aufkommen, so wird beim Bodenschrubben  das männliche Geschlecht sarkastisch als »Waschlappen« eingesetzt. Wörter oder Redewendungen in ihrer eigentlichen semantischen Bedeutung buchstäblich aufzufassen und ironisch zu visualisieren, ist ein zentraler Topos in Birgit Jürgenssens OEuvre. Die Szene von Bodenschrubben stellte die Künstlerinnengruppe DIE DAMEN 1990 im Atelier von Birgit Jürgenssen nach. 

Zu den Pflichten einer »guten« Hausfrau gehören aber nicht nur Kochen, Kinderaufziehen und Putzen, sondern vor allem »Gehorchen«. Die britische Zeitschrift Housekeeping Monthly veröffentlichte noch 1955 Richtlinien, welche sich wie ein grauenhafter Sittenkodex lesen: »Zweifeln Sie nicht am Urteilsvermögen ihres Mannes. Denken Sie daran: Er ist der Hausherr. Sie haben kein Recht, ihn in Frage zu stellen.« 9 Gegen diese Art von Hierarchie und Diskriminierung hatte Simone de Beauvoir schon 1949 in ihrem bahnbrechenden Werk Le deuxième sexe (Das andere Geschlecht) opponiert: »Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.« Die Philosophin entlarvt die Stellung der Frau als gesellschaftliche Konstruktion und präzisiert: »Das Schicksal, das die Gesellschaft herkömmlicherweise für die Frau bereithält, ist die Ehe.« 10 Exemplarisch dafür steht die Aussage eines Assistenten an der Wiener Hochschule für Angewandte Kunst, wo die jungeKünstlerin von 1967 bis 1971 in der Meisterklasse für Druckgraphik studierte: »Ach, Fräulein Jürgenssen, warum schleppen Sie sich denn mit den schweren Lithosteinen ab, Sie werden doch eh bald heiraten.« 11 

Birgit Jürgenssen nimmt sich das Recht, an der Konstruktion »Schicksal: Patriarchat« zu rütteln. Frau-Sein und Künstlerin-Sein waren damals selten gelebte Synonyme. Aus Birgit Jürgenssens Arbeiten geht der Funke jener aufklärerischen Haltung hervor, die Michel Foucault 1978 als das abendländische Projekt der Kritik bezeichnet hat, nämlich »die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden.«12 Rückblickend erklärt die Künstlerin: »Ich wollte die gängigen Vorurteile und Rollenbilder, die Frauen in der Gesellschaft zugewiesen werden und mit denen ich immer konfrontiert war, aufzeigen und die Missverständnisse des Alltags darstellen.« 13 Das Vokabular der Kritik ist mannigfaltig. Seelische Empfindungen werden unmittelbar oder distanziert, aber stets detailreich aufs Blatt gebracht: makaber und verzweifelt, provokant und aggressiv, ironisch und subversiv. Wie in Lewis Carrolls Klassiker Alice im Wunderland, den die Künstlerin schätzte, verkehren sich bewusst die Größenverhältnisse: Die Hausfrau (z401) verwandelt sich in eine übergrosse Tigerin. Das kleingeistig geschrumpfte Heim erweist sich als Gefängnis und so rüttelt sie wütend am Gitter, welches nicht zufällig die Form eines Rasters aufweist. Auf der anderen Seite der Grenze fliegen zwei Vögel, einmal mehr als Allegorie der Freiheit.

»ICH ALS BONSAI«

Birgit Jürgenssen besaß eine ausgeprägte diagnostische Intuition. So erkannte sie Stereotypen und Dispositive, welche die Gesellschaft der 1970er-Jahre für Frauen bereithielt, und sie erlebte diese auch am eigenen Leibe. Im Jahre 1976 entstanden beklemmende Zeichnungen, die von einer den Atem raubenden Einkerkerung und Züchtigung des Körpers erzählen. In Stütze (z98) sehen wir eine Frau mit einem Seil um ihren Hals an einen Stock gefesselt. Diese Ankettung kann als makabre Referenz an die Familie gelesen werden, die wohl eine Stütze sein mag, aber zugleich den weiblichen Körper auf belastende Weise an sich bindet und ihn nicht mehr auslässt. In der Zeichnung Autotransfusion (z90) ist eine Frau einschließlich ihres Kopfes bandagiert, sie kann nicht sehen, nicht sprechen und vermutlich ist ihr ganzer Köper voller Wunden. In Stiefelknecht (z417) wird der Frau die Bewegungsfreiheit auf masochistische Weise verweigert, indem Füsse, Arme und Genick gefesselt sind. Während Hegel in seiner dialektischen Herr-Knecht-Analyse dem Knecht doch einen Anteil an Macht zugesteht, insofern als auch der Herr vom Knecht abhängig sei, wird hier der Frau nicht einmal diese »Rest-Autonomie« gewährt, vielmehr wird sie zu einem bloß funktionalen Ding degradiert: Sie kann nur mehr in höriger Ergebenheit in Habtacht-Stellung stehen.

In Schuhmaske (z406) findet eine weitere Herabsetzung der Frau statt, indem ihr eine Art Beißkorb über den Kopf gestülpt wird, sodass sie gerade noch zwischen den Riemen durchsehen kann, doch das Sprechen, ihr eigener Ausdruck, bleibt ihr verwehrt. Die Frau unter der Schuhmaske verharrt regungslos, als wäre es ihr unausweichliches Schicksal. Geradezu autistisch und starr wirkt ihre Haltung. Sind ihr alle Gefühlsregungen bereits abhanden gekommen?

Die vier Zeichnungen sind, wie erwähnt, im Jahr 1976 entstanden und in braunrötlichen Farbnuancen gehalten. Es fällt auf, dass die dargestellte Frau der Künstlerin ähnlich sieht, weshalb diese Arbeiten durchaus als Selbstporträts gedeutet werden können. Besonders evident wird dies in der Schuhmaske. Hierfür diente ein früheres Porträt als Vorlage (ph671), auf dem Birgit Jürgenssen mit derselben Haarlänge und in derselben Körperhaltung zu sehen ist, gekleidet mit demselben ärmellosen Wollgilet. Die autobiografischen Referenzen, welche in diesen Zeichnungen anklingen, verweisen auf eine Ich-Identität, die den malträtierten Körper ins Zentrum der Reflexion stellt. Eine Notiz der Künstlerin bekräftigt diesen Fokus: »Ich als BONSAI«, und in Klammer fügt sie hinzu »durch besondere Behandlung niedrig gehaltene Baumpflanze.«14 Gefesselt an einen Stock. Entwertet zum bewegungslosen Ding. Des Atems beraubt einbandagiert. Maskiert bis zur Verstummung. Durch Formschnitt und Drahtung klein gehalten wie ein Bonsai. In diesem Jahr vermisst Birgit Jürgenssen auf entlarvende Weise die Koordinaten repressiver »Kultur«-Maßnahmen. Um einem Gedanken von Judith Butler zu folgen: Am Körper der Künstlerin materialisieren sich gesellschaftliche Normen und Machtmechanismen. 15

GRENZE / ÜBERSCHREITUNG

Es mag nicht verwundern, dass die Künstlerin ausgerechnet im besagten Jahr 1976 eine Grenzüberschreitung inszeniert. Die Fotografie Ich möchte hier raus! (ph16) gehört zu den beliebtesten Arbeiten von Birgit Jürgenssen – vielleicht weil jede(r) von uns schon dieses Verlangen verspürt hat. Nett und adrett mit weißem Spitzenkragen und Brosche gekleidet drückt sie ihr Gesicht dermaßen gegen eine Glaswand, dass ihre Wange einen Abdruck hinterlässt und ihr Atemdarauf kondensiert. In der Ausstellung Female Trouble, die in der Münchner Pinakothek der Moderne zu sehen war, haben einige Betrachter gerätselt, wer diese Worte auf die Glasscheibe geschrieben hat. »Die Frau auf dem Foto kann es nicht gewesen sein, sonst wären die Buchstaben wohl spiegelverkehrt«, schreibt beispielsweise ein Rezensent.16 Irrtum. Wann immer Birgit Jürgenssen sich vor der Kamera selbst inszenierte, geschah es allein im Atelier und das Selbstauslöserkabel begleitete sie ständig, wie es etwa in Totentanz mit Mädchen (ph4, ph3, ph8, ph5, ph10, ph9, ph1, ph6, ph12) zu beobachten ist. Unmittelbar nach ihrem Kunststudium richtet sich die Künstlerin in ihrem Atelier eine eigene Dunkelkammer ein und wird drei Jahrzehnte lang analog fotografieren. Bei diesem herkömmlichen fotografischen Verfahren schätzte sie die verschiedenen Möglichkeiten, »experimentell« 17 vorzugehen. Ein im Archiv des Nachlasses vorhandener Kontaktabzug verdeutlicht nun, dass die Szene zuerst seitenverkehrt angelegt war, denn während der Performance im Atelier sind Kopf und Blick der Künstlerin nach links geneigt, auf der Originalfotografie hingegen schaut die Person – unserer Lesart entsprechend – nach rechts. Weiterhin ist auf diesem Kontaktabzug die Schrift seitenverkehrt zu lesen. Die Künstlerin hat das Negativ offensichtlich umgedreht und dann auf Fotopapier belichtet. Die Inversion auf der Ebene des fotografischenMaterials findet interessanterweise auf inhaltlicher Ebene nochmals statt, denn im Verhältnis zum alarmierenden Satz »Ich möchte hier raus!« nimmt sich der Gesichtsausdruck recht kühl und distanziert aus, sodass man sich darüber wundern kann. Es existiert eine zweite Fotografie (ph1739) derselben Szene, in der sich die Frau stärker gegen die Glasscheibe presst, sodass sich Wange und diesmal sogar Nasenspitze darauf abdrücken: Ihr Blick ist erschrockener, verzweifelter und verzagter. Der Hilferuf »Ich möchte raus!« definiert sich ausschließlich vom Subjekt her, ohne den sozialen Standort anzugeben, während doch die Küchenschürze als Insignie der Hausarbeit präzisiert, um welche Art von Ehefrau (siehe Ring) es sich handelt. Diese Inszenierung kann deshalb ohne das Wort »hier« auskommen, weil Türschnalle und Türrahmen deutlich ein Davor und ein Dahinter und somit eine örtliche Grenze markieren, an welcher der Ausbruch stattfinden soll. Der besagte Kontaktabzug zeigt sogar noch eine dritte Version derselben Inszenierung: Die Frau trägt diesmal kein Kleid, sondern einen mit Leopardenfellmuster bedruckten Pullover. Ihre Hände formen sich zu Katzenpfoten. Die Augen, die Pupillen und der Mund sind weit geöffnet, die Haare stehen zu Berge und der Schrecken, der dieser Frau gerade in die Glieder fährt, ist deutlich zu spüren. In diesen drei Stadien entfaltet Birgit Jürgenssen Variationen emotionaler Ich-Befindlichkeiten und führt uns damit eine zeitgenössische »éducation sentimentale« vor, die durchaus klassenspezifische Akzente impliziert, von grossbürgerlich distanziert bis mittelständisch verzweifelt.

»Performance bedeutet für mich die Möglichkeit ein konkretes Anliegen in eine künstlerische Form zu bringen«18, erklärt Birgit Jürgenssen. Die performativen Variationen von Ich möchte hier raus! veranschaulichen die existenzielle Dringlichkeit von Grenzüberschreitung. Doch wohin überschreiten? Und zu welchem Zweck? Wie soll der Raum hinter jener Grenze aussehen? Die Künstlerin hat in zahlreichen Notizbüchern unermüdlich geschrieben, Skizzen entworfen, Ideen für Arbeiten stichwortartig festgehalten, Gedichte formuliert, Wortspiele ersonnen und gern Zitate aus Büchern notiert, wie jenes des Ethnologen Hans Peter Duerr: »Nur wer den Zaun überschreitet, kennt die Bedeutung der Dinge innerhalb des Zaunes.« 19 Nicht zufällig am Frauentag schreibt Birgit Jürgenssen in einem Brief: »Die Frage nach der eigenen Identität ist heute nicht mehr Wer bin ich?, sondern vielmehr Wo bin ich? [...] Die geschlechtsspezifische Identität entsteht durch den Raum, den Menschen sich schaffen, um darin existieren zu können.« 20 Im »Akt der Überschreitung« liegt also der Versuch, ungeliebte Identitäten (Hausfrau, Ehefrau, Putzfrau, den malträtierten Körper) abzustreifen, die Negation »falscher« Identitäten zu bejahen und sich somit einen selbst definierten Raum zu erobern.

STARKE FRAU(EN)

»Be really creative, refuse your role«, schreibt Birgit Jürgenssen in eines ihrer Notizbücher. Dieses Potenzial des Aufbegehrens und der Souveränität entfaltet sich allerdings schon vor ihrer inszenierten Überschreitung. Frühe Zeichnungen veranschaulichen mit jugendlichem Elan selbstdefinierte Subjektivität, deren Horizont im Zeichen von »Unabhängigkeit«, »Selbstbestätigung« und »Selbstverwirklichung« steht. Eine Frau packt ihr Schicksal »selbst beim Schopf« oder vermag sich in die Superheldin Batwoman zu verwandeln. Birgit Jürgenssen verbleibt aber nicht dabei, selbstbewusste Frauenfiguren darzustellen, die es verstehen,»alle Ketten« zu sprengen, sondern nimmt auch sozialkritisch die Rolle des Mannes als »Held der Geschichte« ins Visier. Dabei scheint ein Perspektivenwechsel nötig zu sein. Den Mythen starker Männlichkeit wird das Pendant starker Weiblichkeit auf ironische Weise vorgeführt. »Kaiserin Augustina« kommt zu Ehren. Wie dem römischen Kaiser Augustus wird auch ihr ein Brustpanzer verliehen, der erstmals ihre heroischen Taten und gewonnenen Schlachten im Alltag aufzeigt (z107) . Damit kritisiert die Künstlerin eine chauvinistische Geschichtsschreibung, die sich damit begnügt, bloß Herrscher und Schlachten aufzuzählen. Die Zeichnung greift die Qualität Brechtscher Geschichtskritik auf. Bertolt Brecht lässt in seinem bekannten Gedicht einen Arbeiter fragen:»Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er wenigstens einen Koch bei sich? Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte untergegangen war. Weinte sonst niemand?«21 Während der Dichter zu Recht die Stimme des Volkes in der konventionellen Historiografie reklamiert, geht die Künstlerin einen Schritt weiter und fordert die fehlende »Stimme der Frau« ein. Nicht nur der legendäre Politiker, sondern auch seine Frau, Mrs. Churchill (z716), hat Grund, ihre Hand zum Victory-Zeichen zu erheben. Welchen Kampf meint sie gewonnen zu haben? Den der Emanzipation? 22

In der Zeichnung Emanzipation (z109) wird eine typische Geste der Manneskraft, nämlich ein angespannter Bizeps humorvoll in eine nährende Brust verwandelt, und das Sinnbild »männlicher Stärke« durch ein neu geschaffenes Bild »weiblicher Stärke« substituiert. Damit löst die Künstlerin zeichnerisch etwas ein, woran unsere Sprache versagt: Es gibt nämlich kein weibliches Pendant zum Terminus »Virilität« (zur Zeichnung Emanzipation gibt es auch eine fotografische Version, (ph23)). Für Birgit Jürgenssen war Selbstironie »eine Form autobiografischer Strategie«, wie sie in einem Interview erklärt, »um subversives und dekonstruktives Potenzial leichter zu vermitteln.« Diese Selbstironie verhalf ihr »Abstand« und »Distanz« einzuhalten gegenüber den»starken Rollenklischees«, in denen sie aufgewachsen war. 23 Selbstironie übernimmt also in ihrem Werk die Funktion eines wirksamen Gegengiftes. In vielen Arbeiten werden daher stereotype Rollenzuweisungen selbstironisch unterwandert,wie etwa auch in der Fotografie Gretchen von Faust (ph1541), wo das »schwache Geschlecht« pointiert in ein »starkes« verwandelt wird. Auf einer geballten Faust mutiert ein Frauenschuhabsatz zur spitzen Waffe. Verkehren sich hier die Geschicke der Gretchentragödie? Verwandelt sich ein sanftes, verloren geglaubtes Gretchen in eine kämpferische Frau, die es trotz gesellschaftlicher Widrigkeiten versteht, ihren Verderber in die Weite zu schlagen? Der Einsatz des Schuhabsatzes als Verstärkung des Bizeps kommt auch schon in früheren Improvisationen vor (ph1655).

Im April 1974 fordert Birgit Jürgenssen den DuMont-Verlag auf, eine umfassende Anthologie über Künstlerinnen zu veröffentlichen: »So oft ist die Frau Kunstobjekt«, schreibt sie in dem Brief, »selten und ungern lässt man sie selbst zu Wort oder Bild kommen. […] Ich möchte einmal die Möglichkeit haben,mich nicht immer nur mit Kollegen sondern auch mit Kolleginnen vergleichen zu können.« Solche Kolleginnen fand sie in den Künstlerinnen Meret Oppenheim und Louise Bourgeois, deren Werke sie gegenüber anderen Künstlerinnen »poetischer, weniger direkt, und subversiver« 24 fand. In den 1970er-Jahren war es in der bildenden Kunst für eine angehende Künstlerin nicht leicht, sich nach einembestimmten Typus von Künstlerin zu orientieren oder sich davon abzugrenzen. Denn das Erbe der Moderne war hartnäckig. Die habituelle Logik »Mann=Künstler=Maler=Genie« reichte bis in die Postmoderne hinein. Denken wir nur an Pablo Picasso oder an den draufgängerischen Künstlertypus Jackson Pollocks, dessen Habitus à la James Dean nicht nur die amerikanische Nachkriegsmalerei prägte. 25 In der Welt der Literatur und des Films konnte ein souveräner Frauentypus offenbar eher reüssieren, wenngleich auch hier Stereotypen geschaffen wurden, wie die Femme fatale. Birgit Jürgenssen schätzte an den Romanen von Raymond Chandler und an den Filmen, in denen die Schauspielerinnen Marlene Dietrich und Mae West mitspielten, vor allem die Dialoge zwischen Mann und Frau. In einem Gespräch erklärt die Künstlerin, dass durch sie die Position der Frau zumindest auf der Ebene der Sprache mit »Wortwitz, Ironie und Schlagfertigkeit« gegenüber dem Mann »relativ gleichgestellt« war. 26 Mae West ist bekannt dafür, dass sie ganze Drehbücher umgeschrieben hat, auch selbst welche verfasste und nicht zuletzt für ihre Eloquenz und Bonmots berühmt geworden ist. Birgit Jürgenssen gab einer Zeichnung den beinahe auf Selbstäquivalenz ausgerichteten Titel Mae and Me, der den Grad ihrer Wertschätzung gegenüber der charismatischen Filmschauspielerin veranschaulicht, von der Jürgenssen schwärmte: »Sie ist so kräftig und präsent. Sie besitzt Intelligenz und Humor. Alles Dinge, die ich mir als Eigenschaften meiner Arbeit wünsche.« 27 Im Jahr der inszenierten Grenzüberschreitung lernte Birgit Jürgenssen die Schauspielerin sogar persönlich kennen, da Mae West auf Einladung des Filmmuseums 1976 inWien war. 28 In einer unveröffentlichten Vorstudie wird Mae West auch mit der griechischen Göttin Athene parallelisiert, das endgültige Triptychon rückt Mae West ins Zentrum.

Das Bild einer charakterlich souveränen Frau, die selbstständig durchs Leben geht, wie es Mae West versteht, eigenständig ihre Ideen und Imaginationen auf Papier zu bringen und ihre Probleme allein zu meistern, wie es etwa die Zeichnung Das Match das trag ich mit mir selber aus (z30) andeutet, gehört sicherlich zum künstlerischen Selbstverständnis Birgit Jürgenssens. Auf humorvolle Weise bestätigt sich diese Haltung anhand einer Postkarte, die die Künstlerin anlässlich ihrer Teilnahme an der Biennale in Sydney 1984 von dort aus nach Wien sendet. Auf dieser ist die australische Schauspielerin Annette Kellermann in selbstbewusster Pose zu sehen. Über die abgebildete Frau und den Vogel schreibt sie »That’s me in Sydney«. Da Birgit Jürgenssen alles andere als »linear« gedacht und gearbeitet hat, können wir das ferne Echo des nahen »me« ihrer selbstironischen Haltung entsprechend sowohl in Richtung Frau als auch in Richtung Vogel lesen. Jenes »me« ist ein »shifter«, der zu beiden Identitäten hin offen ist. Die Bewegung hin zu alternativen Identitäten drückt sich auch in einem Notizbucheintrag aus, in dem es heißt: »Phone from mother. I’ll always be other.« So erblickte Jürgenssen in Meret Oppenheim eine Art imaginäre künstlerische Mutter, die ihre Fantasie bestätigte und beflügelte.

DIFFERENZ UND WIEDERHOLUNG

Im Alter von acht Jahren beginnt Birgit Jürgenssen, Bilder aus einem Pablo-Picasso-Buch nachzuzeichnen. 29 Diese Zeichnungen sind in einem Schulheft vereint. Einige von ihnen signiert sie vorerst mit »BICASSO Birgit Jürgenssen« und auf den folgenden Seiten inkorporiert sie schließlich den Namen des spanischen Meisters in ihren eigenen Namen und signiert mit: »BICASSO Jürgenssen«. Dabei ist es nicht unwichtig zu wissen, dass sie als Kind mit der Abkürzung »Bi« gerufen wurde. Diese kreative Namensverschiebung zeugt davon, dass sich ein Kind einen künstlerischen Raumerobert und sich so in ein »neues« Territorium einschreibt. Nach Gilles Deleuze und Félix Guattari ist »die Signatur, der Eigenname [...] keine Markierung, die durch ein Subjekt geschaffen wird, sondern die konstituierende Markierung eines Bereiches, einer Bleibe.« 30 Diese Bleibe ist ein Werden. Deleuze und Guattari, bekannt für ihre Ödipus-Kritik, bestimmen die schöpferische Kraft des Werdens nicht durch Abstammung, denn »jede Abstammung ist imaginär«. Für sie gehört dasWerden »immer zu einer anderen Ordnung als der der Abstammung. Es kommt durch Bündnisse zustande.« 31Birgit Jürgenssen knüpfte schon in frühen Jahren »Bündnisse« mit Picasso, später mit der Poesie des Surrealismus und der Zeichentheorie des Strukturalismus, mit Meret Oppenheim, Louise Bourgeois, Mae West und mit der Literatur von Gertrude Stein, Virginia Woolf, Marguerite Duras und mit der Raymond Chandlers. 

Vor allem knüpfte sie ein Bündnis mit dem »kulturell Anderen«, innerhalb dessen Territorium sie zu anderen Identitäten vorzudringen vermochte. So schreibt sie in einer Collage ihren Familiennamen um, indem sie auf denUmlaut verzichtet und die Doppelkonsonanten »ss« gegen »nn« austauscht. Diese scheinbar minimale Veränderung impliziert nicht weniger als die Verschiebung ihres Familienromans in Richtung des japanischen Kulturraumes. Denn die japanische Sprache kennt keine Umlaute, nur offene Silben, die auf einen Vokal enden, jedoch mit der einzigen Ausnahme von »n«. Deshalb ist »-genssen« praktisch nicht möglich, hingegen »-gennsen« sehr wohl. Wenn auch keine der beiden Versionen japanisch klingt, so ist doch JURGENNSEN für Japaner immerhin aussprechbar. 32 Mit dem japanischen Kulturkreis war die Künstlerin schon früh vertraut, da ihre Urgroßmutter Olga Matsuo Japanerin war und Birgit Jürgenssens Vater oft Stoffe, Bücher, Kimonos und andere Überraschungen zur Freude seiner Tochter aus Japan mit nach Hause brachte. Das Interesse an der japanischen Kultur drückt sich auch in der Fülle an Büchern über japanische Kunst in ihrer Bibliothek aus. In einer Fotografie greift die Künstlerin eine Form japanischer Identität auf, indem sie mit der auf einem Foto abgebildeten Frau durch Haltung und Frisur eine imaginäre Begegnung inszeniert. Die Öffnung hin zum kulturell anderen kann wie beim Inkorporieren von Picassos Name als eine Deterritorialisierung hin zu einem selbst gewählten »anderen« Raum verstanden werden. Die Erschließung anderer Bezugsräume war für die Eigenidentität der Künstlerin konstitutiv. In ihrem Notizbuch schreibt sie: »Ich bin, was immer ich in Bezug auf andere bin.« 33

Birgit Jürgenssen gewinnt ihre schöpferische Kraft, so meine erste These, in Bündnissen mit anderen Ich-Identitäten, die es ihr ermöglichen, in die vermeintlich homogene Ich-Identität das Wechselspiel von Differenz und Wiederholung einzuführen. Schon in der frühen Zeichnung Mein zweites »ich« von 1966 erhebt sich ein Alter ego Jürgenssens in die Welt der Imagination. Arthur Rimbauds berühmter Gedanke »Ich ist ein Anderer« klingt hier an, die Künstlerin wird ihm Jahre danach mit einem gezeichneten Porträt auf Leinen huldigen. Die Erfahrung des eigenen Selbst im anderen greift die Künstlerin 1985 im Titel ihrer Ausstellung auf:

Für ihr OEuvre ging Birgit Jürgenssen auch ein inniges Bündnis mit der Literatur ein. Im Interview mit Felicitas Thun-Hohenstein erklärt sie rückblickend: »Meine Arbeiten sind [...] aus einem Wechselspiel zwischen Literatur und Lebensalltag entstanden. Es war für mich unmöglich zu zeichnen ohne ein Stück Literatur im Kopf zu haben.« 34 In der Zeichnung Demaskierung (z300), die subtil von zwei divergierenden Identitäten erzählt, erkennen wir Dr. Jekyll und Mr. Hyde. In einem kleinen Selbstporträt, entstanden 1978, zwei Jahre nach der besagten Grenzüberschreitung, ist das Gesicht der Künstlerin mit einem Muster bemalt und sie erscheint uns wie eine Indianerin (z883). Diesmal liegt die literarische Referenz im Verborgenen. In ihrem Notizbuch findet sich das Zitat: »Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit auf dem rennenden Pferde« ,welches Franz Kafkas Prosaskizze Wunsch, Indianer zu werden entnommen ist. Auch darin bekundet sich die Sehnsucht nach einem »anderen« Ich. Ein weiterer Hinweis findet sich in einem Buch aus ihrer Bibliothek. In den Schriften von Henri Michaux ist die Stelle seines Textes »Tätowierungen« mit einem Lesezeichen versehen. Der französische Schriftsteller schwärmt darin von den Vorzügen, sich zu bemalen:»Alles Ungesunde und Bestialische an der Haut verschwindet, sobald sich ein paar Striche der Gittermuster darauf befinden. Das Gesicht wird nicht so sehr intelligent, es wird vielmehr intellektuell, es wird geistig.« Am Ende fügt er allerdings hinzu, »dass die Tätowierung, wie jede Verzierung, zwar eine Fläche als solche hervortreten lassen kann, jedoch viel leichter die Fläche zum Verschwinden bringen kann, so wie ein Wandbehang die Breite einer Wand zum Verschwinden bringt. Es ist aber Zeit, das Gesicht zum Verschwinden zu bringen.« 35 Nun wäre es sicherlich übertrieben, den Fortgang von Birgit Jürgenssens künstlerischen Manifestationen allein auf Michaux’ Forderung zurückzuführen.Dennoch wird sie sich als fruchtbare Fährte erweisen, denn das Bildnis der »Indianerin« wird eines der letzten Porträts in Birgit Jürgenssens OEuvre sein, in denen wir das Gesicht eines Individuums zu erkennen vermögen.

MODERNE UND POSTMODERNE ICH-KONZEPTIONEN

Betrachten wir die vier Porträts (ph670) und das erwähnte Triptychon (ph671), beide von 1972, sowie das Diptychon von 1978/79, erinnern wir uns an die Fotografien Ich möchte hier raus! (ph16), Hausfrauen-Küchenschürze (ph1578) und an die Inszenierung der japanischen Identität sowie das soeben besprochene Porträt der »Indianerin« (z883)– alle diese Werke betonen das Gesicht in Großaufnahme. In einem Notizbuch von Birgit Jürgenssen ist zu lesen: »a face is a place«. Das Gesicht als Ort, das Gesicht als Bleibe ist in den 1970er-Jahren sehr wohl vom »Konzept der Lesbarkeit« her bestimmt. In diesen Arbeiten ist das Gesicht – um mit Jacques Aumont zu sprechen – eine »lesbare Fläche«, und die Großaufnahme unterstreicht die narrative Funktion des Gesichtes als ein »Agent des Sinns«. 36 Auch andere bisher betrachtete Arbeiten, wie etwa die Hausfrauen- Zeichnungen, die wie Selbstporträts anmutenden Zeichnungen von 1976 wie Stütze (z98), Autotransfusion (z90), Stiefelknecht (z417) und Schuhmaske (z406), Großes Mädchen (z399), Lehrmädchen, Sich selbst beim Schopf packen und Ohne Titel, sie alle repräsentieren eine lesbare Sinnstruktur. Sogar in der frühen Inszenierung des Tier-Werdens in Selbst mit Fellchen (ph679), bei der die Künstlerin ein präpariertes Fuchsfell über ihr Gesicht legt, kann ein Selbst noch dechiffriert werden. Die Vorstudie zu Selbst mit Fellchen (ph891), in der Schulter, Arme und Brüste noch zu sehen sind, macht den Prozess hin zur finalen Version deutlich, in der schließlich der ganze Oberkörper verdeckt wurde, womit die anthropomorphe Referenz nahezu verschwindet und sich die gewünschte Transformation zum Tier vollzieht (ebenso wie in Zebra I, (ph125)). 

Bemerkenswerterweise beginnt sich die narrative Struktur im Werk von Birgit Jürgenssen um 1979/80 aufzulösen. Geradezu vulkanartig tritt eine gänzlich andere Bilderwelt hervor. Im Januar 1981 erscheint ein Katalog zur Ausstellung 10 Tage – 100 Photos, wo in keiner der abgebildeten Fotografien (s29) das Gesicht der Künstlerin mehr zu sehen ist. Birgit Jürgenssen treibt die Syntax des Gesichts und des weiblichen Körpers bis zur Grenze ihrer Dechiffrierung. In den Polaroids der Bade-Serie und in den Fotografien Konkavspiegel (ph840-850, ph863) erfährt der weibliche Körper seine radikale Fragmentierung und Verzerrung. Zu diesen Arbeiten erklärt die Künstlerin in einem Interview: »Die Identität der Frau ist zum Verschwinden gebracht, bis auf den fetischisierten Gegenstand, dem Fokus männlichen Wunschdenkens.« 37 Diesem männlichen Blick setzt die Künstlerin die Strategie der Verweigerung und des Entzugs vehement entgegen, wenngleich sie auf die Qualität der Sinnlichkeit nicht verzichten will. Und so entscheidet sie sich: »Als Verführte möchte ich wieder verführen und mit visuellen Mitteln ein Gefühl der Sinnlichkeit erzeugen.« 38 Das Verschwinden eines auf Lesbarkeit ausgerichteten Selbst hat aber oszillierende Qualität. Denn wie Birgit Jürgenssen sagt:»Das Verdrängte [lässt] sich nicht gefallen, dass wir es verdrängen, und es holt uns nachts wieder ein.« 39 Das zum Verschwinden gebrachte lesbare Selbst taucht beispielsweise in ihren Körperprojektionen wieder auf, in denen die Künstlerin verführerische Bilder, unter anderem auch ihr eigenes Gesicht in Großaufnahme auf ihre Haut projiziert. Didier Anzieu zeigt in seiner psychoanalytischen Studie DasHaut-Ich, dass»die Erfahrung der Haut eine Vorstellung von sich selbst als Ich entwickelt.« 40 Insofern kann Birgit Jürgenssens Erfahrung der Körperprojektionen als ein Akt verstanden werden, in dem sie ihres verschwundenen Ichs als Haut-Ich gewahr wird.

Meine zweite These ist, dass Birgit Jürgenssen ihr OEuvre im Schwellenraum zwischen Moderne und Postmoderne situiert: In ihrem Werk entfalten sich sowohl moderne Ich-Konzeptionen kraft Negation falscher Identitäten und des Akts von Überschreitung, als auch postmoderne Ich- Konzeptionen, in denen unter der Regie der Dekonstruktion die narrative Ich-Instanz abhanden kommt. Birgit Jürgenssens Ich-Pluralität, ihre »Identitäten im Übergang«, 41 ihre inszenierten Differenzen und Wiederholungen der ersten Person Singular werden in dem Bereich des Verschwindens und der Verdopplung so weit vorangetrieben, dass Halt und Gewissheit eigener Identität für einen Augenblick auf einer »kleinen Insel« erfolgen. Dort nämlich, wo sich keine visuelle Abbildung mehr ereignet – so auf einer Schultafel, auf der die Künstlerin 1995 mit Kreide »Ich bin.« (s46) schreibt. Es mag kein Zufall sein, dass sie nur einige Monate davor ihr Schulheft BICASSO Jürgenssen als Faksimile drucken ließ, wirken doch die beiden zart geschriebenen Worte »Ich bin.« wie auch ihr damaliger erster Akt künstlerischer Territorialisierung fragil und gleichzeitig programmatisch. Wie sehr allerdings das Sich-selbstgewahr-Sein von Ich bin. etwas Prekäres darstellt, davon erzählt der Schwamm, der latent auf die Möglichkeit einer Auslöschung verweist. Der Titel Mit dem Mühlstein um den Hals in dasMeer des Vergessens stürzen kann auch als Klage fehlender Rezeption ihres Werks gelesen werden. Mit ihren Zeichnungen,Collagen, Fotografien,mit ihren Gedanken, Sehnsüchten und ihrer beharrlichen Kritik wollte Birgit Jürgenssen gesehen werden und wirken. In ihrem Notizbuch schreibt sie »to livemeans to leave traces« und zitiert dabei Walter Benjamin. An jener Stelle notiert sie ebenso aus Rainer Maria Rilkes Sonette an Orpheus:

»Und wenn dich das Irdische vergaß,
zu der stillen Erde sag: Ich rinne.
Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin.« 42

1) Die drei Zitate stammen aus einemder zahlreichen Notizbücher von Birgit Jürgenssen. Sämtliche Notizbücher befinden sich in ihrem Nachlass und werden im Folgenden als NbBJ bezeichnet.
2) Thora Goldschmidt: Français par intuition et images (Leipzig:Hirt, 1909/1920), S. 4, 10.
3) Ausst.-Kat. Birgit Jürgenssen. Früher oder später (Linz: Landesgalerie Oberösterreich, 1998), S. 86, 87.
4) Unterschiede gab es in Klassenzugehörigkeit, in westlichen/nichtwestlichen Ländern sowie in autonomen und regierungsnahen Aktivitäten. Vgl. Yasmine Ergas: »Der Feminismus der Siebziger Jahre«, in: GeorgesDuby, Michelle Perrot: Geschichte der Frauen. 20. Jahrhundert. Bd. 5 (Frankfurt a.M.: Fischer, 1997), S. 559–600.
5) Beate Söntgen:»Hannah Wilke Superstar«, in: Gabriele Schor (Hrsg.): Ausst.-Kat. HELD TOGETHER WITH WATER. Kunst aus der Sammlung Verbund (Ostfildern:Hatje Cantz, 2007), S. 144–150.
6) Peter Weibel: »Birgit Jürgenssen oder Körper-Kunst wider die Semiotik desKapitals«, in: Linz 1998 (wie Anm. 3), S. 83–85.
7) Rosalind Krauss: »Die Originalität der Avantgarde«, in: Charles Harrison, Paul Wood (Hrsg.): Kunsttheorie im 20. Jahrhundert, Bd. 2 (Ostfildern: GerdHatje, 1998), S. 1317–1322, hier S. 1318.
8) Weibel 1998 (wie Anm. 6), S. 83–85.
9) Mein Dank gilt Melanie Wagner, die mir diese Quelle zugänglich gemacht hat.
10) Simone de Beauvoir: Le deuxième sexe [1949];Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau (Hamburg: Rowohlt, 1968), S. 398.
11) Birgit Jürgenssen im Gespräch mit Doris Linda Psenicnik.Wien, 21.12.1998 (Nachlass Birgit Jürgenssen). Ich danke Doris Linda Psenicnik für ihre grosszügige Bereitschaft, das Interviewmanuskript zur Verfügung zu stellen.
12)  Michel Foucault: Was ist Kritik? [1978] (Berlin: Merve, 1992), S. 12.
13) Birgit Jürgenssen: »›Alles fliesst, bedingt und durchdringt einander.‹ Ein Gespräch mit Felicitas Thun-Hohenstein«, in: Carola Dertnig, Stefanie Seibold (Hrsg.): let’s twist again.Was man nicht denken kann, das soll man tanzen. Performance in Wien von 1960 bis heute (Gumpoldskirchen/Wien: D.E.A., 2006), S. 272–279.
14) NbBJ (wie Anm. 1).
15) Judith Butler: Körper von Gewicht. Gender Studies (Franfurt a.M.: Suhrkamp, 1997).
16) Rainer Burkard: »Von der Rolle. Gibt es eine weibliche Kunst? Die Ausstellung Female Trouble in München spielt mit Frauenbildern aus 150 Jahren«, in: Die Zeit, 31.7.2008, S. 45.
17) Birgit Jürgenssen im Gespräch mit Doris Linda Psenicnik (wie Anm. 11).
18) Birgit Jürgenssen: »›Wie erfährt man sich im Anderen, das Andere in sich?‹ Ein Gespräch mit Rainer Metzger«, in: Kunstforum International, 164,März–Mai 2003, S. 234–247.
19) Hans Peter Duerr: Traumzeit. Über die Grenzen zwischen Wildnis und Zivilisation (Frankfurt a.M.: Syndikat, 1978), S. 94.
20) Brief von Birgit Jürgenssen an Doris Linda Psenicnik.Wien, 8.3.2000 (Nachlass Birgit Jürgenssen).
21)  Zur semantischen Bedeutung und Deutung des Wortes »Emanzipation« vgl. den Essay von Elisabeth Bronfen in diesem Buch.
22) Zur semantischen Bedeutung und Deutung des Wortes »Emanzipation« vgl. den Essay von Elisabeth Bronfen in diesem Buch.
23) Jürgenssen 2003 (wie Anm. 18).
24) Ebd.
25) Vgl. Gabriele Schor: »Lapislazuli. Das Schwarz der Abstrakten Expressionisten«, in: Thomas Zaunschirm (Hrsg.): Ausst.-Kat. Die Farben Schwarz (Wien, New York: Springer, 1999), S. 97–120.
26) Birgit Jürgenssen im Gespräch mit Doris Linda Psenicnik (wie Anm. 11).
27) NbBJ (wie Anm. 1).
28) Peter Kubelka machte Birgit Jürgenssen mit Mae West im Wiener Filmmuseum bekannt. Gespräch von Ramin Schor mit Peter Kubelka, Frühjahr 2009. Vgl. auch »Wien 1976«, in: Mae West, Greta Garbo (München: Hanser, 1978), S. 62–66.
29) Vgl. »Birgit Jürgenssen in einem Interview mit Heidemarie Seblatnig«, in: Heidemarie Seblatnig (Hrsg.): Einfach den Gefahren ins Auge sehen. Künstlerinnen im Gespräch (Wien: Böhlau, 1988), S. 158–161.
30) Gilles Deleuze, Félix Guattari: Kapitalismus und Schizophrenie. Tausend Plateaus (Berlin:Merve, 1992), S. 431.
31) Ebd., S. 325.
32) Ich danke Brigitte Steger vom Department of East Asian Studies, University of Cambridge für ihre diesbezügliche Erklärung.
33) NbJB (wie Anm. 1).
34) Jürgenssen 2006 (wie Anm. 13).
35) Henri Michaux: »Tätowierungen«, in: ders.: Dichtungen. Schriften I (Frankfurt a.M.: Fischer, 1966), S. 85.
36) Jacques Aumont: Du visage au cinéma (Paris: Editions de l’Etoile, 1992), S. 49.
37) Jürgenssen 2003 (wie Anm. 18).
38) Birgit Jürgenssen: »Ich beschäftige mich mit Fotografie«, in: Manfred Schmalriede, Silke Schmalriede (Hrsg.): Ausst.-Kat. 2. Internationale Foto-Triennale Esslingen 1992. Erfundene Wirklichkeiten (Stuttgart: Edition Cantz, 1992), S. 109.
39) Birgit Jürgenssen: »The Inner Passage«, in: Ausst.-Kat. The Search Within. Art between Implosion and Explosion (Geras, New Delhi: Österreichisch-Indische Gesellschaft, 1998), S. 76.
40) Didier Anzieu: Le Moi-peau [1985]; Das Haut-Ich (Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1998), S. 60. Mit dem Phänomen Oberfläche und Tiefe in Bezug auf die Haut hat sich dieKünstlerin besonders beschäftigt. In ihrer Bibliothek befindet sich das Buch von Oskar Negt, Alexander Kluge: Geschichte und Eigensinn. Entstehung der industriellen Disziplin aus Trennung und Enteignung (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1993), mit dem Kapitel »Das Prinzip Hautnähe«.
41) Wolfgang Welsch: »Identität im Übergang«, in ders.: Ästhetisches Denken (Stuttgart: Reclam, 1990), S. 168–200.
42) Zitat aus NbBJ (wie Anm. 1). Vgl. Rainer Maria Rilke: »Die Sonette an Orpheus« [1922], in: ders.: Sämtliche Werke, Bd. 1 (Frankfurt a.M.: Insel, 1955), S. 771. Birgit Jürgenssens Prozess von Ich-Überschreitungen gewinnt auch im Lichte von Ernst Blochs Philosophie offenerer Sinn-Formationen an Brisanz. So beginnt Bloch seineDarstellung von Philosophie mit folgendenWorten: »Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst.« In: ders.: Tübinger Einleitung in die Philosophie (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1977), S. 13.

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