15. Oktober – 15. November 2025
Die Spannung, die in den Werken von Birgit Jürgenssen und Noelia Towers steckt, kommt in dieser Doppelausstellung im Slip House voll zur Geltung. Zwischen den Illustrationen und Fotografien der einen und den kristallklaren Gemälden der anderen pendelt ein Tanz surrealer und eindringlicher Darstellungen von Weiblichkeit, voller Spannung, Sentimentalität, Eigenartigkeit und allem, was dazwischen liegt.
Jürgenssens Œuvre, das allgemein für seine Heterogenität bekannt ist, dreht sich um feministische Fragestellungen und materielle Experimente. Sie steht in der Tradition der surrealistischen Bewegung und nutzt deren psychosexuelle Logik und nuancierte formale Ansätze als Ausgangspunkt für ihre Ausdrucksformen von Persönlichkeit, Transformation, Natur und darüber hinaus. Die im Slip House ausgestellte Auswahl von Jürgenssens Arbeiten auf Papier zeigt die Vorliebe der österreichischen Künstlerin für veränderte körperliche Situationen. In „The Echo in the Mountains“ aus dem Jahr 1977 schwebt eine Pistole seltsam vor einer Hand ohne Subjekt, beide Formen vor einer zerklüfteten Berglandschaft, sanften Hügeln und vereinzelten immergrünen Bäumen. Dieses Bild steht im Gegensatz zu den hyperfokussierten Körperteilen in Boundary Lines of a Lonely Knee und Veins – Borderlines in the Body (beide 1978), in denen Jürgenssen anatomische Elemente isoliert. mehr
Die ausgestellten Fotografien – von denen drei im Cyanotypie-Verfahren hergestellt wurden – sind das Ergebnis vielschichtiger Vorstellungswelten, die zu einer einzigen verschmelzen. Diese Sensibilität zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk der Künstlerin, da sie dazu neigt, verschiedene Aspekte zu einem kohärenten Rahmen zusammenzufügen. In einem Interview mit Felicitas Thun-Hohenstein aus dem Jahr 2003 erklärt Jürgenssen: „Ich bin nicht daran interessiert, Dinge an sich darzustellen. Dinge werden erst dann spannend, wenn die Beziehungen zwischen ihnen in den Vordergrund treten.“ Der Galerist der Künstlerin, Hubert Winter, meinte ebenfalls, dass sie „mit Maskeraden, Metamorphosen und Selbstdarstellungen die Grenzen der Identität überschritten hat“ – eine Einschätzung, die ihre Praxis mit der von Towers verbindet, dessen eigene Hinterfragungen und Verschleierungen der Persönlichkeit derzeit neben denen von Jürgenssen inszeniert werden.
Towers untersucht häufig häusliche Räume, um die Dimensionen einer auf die Innerlichkeit beschränkten Weiblichkeit zu erforschen. Dabei nehmen die Bedeutung der Performance und ein gewisser Voyeurismus überhand. Sie steht in sympathischer Verbindung zu Dorothea Tannings autobiografischem Surrealismus, der einen körperlichen Fokus mit eigentümlichen Kontexten verbindet. Ihre Arbeit erinnert auch an die unkonventionellen Bildausschnitte von Philip Pearlstein, obwohl dessen Figuren weitgehend auf Objekte und Formen im Raum reduziert sind. Die Frauen von Towers hingegen sind handlungsfähiger. Oftmals stellt die Malerin verdeckte Motive von hinten dar und inszeniert durch einzigartige Bilder affektive Provokationen. Towers ist besonders umsichtig, wenn es um den perfekten Blickwinkel geht, und verlangt von jeder Darstellung des Körpers, ein Gefühl der Unbestimmtheit zu vermitteln. Sie verbindet Selbstporträts mit Filmstills, kunsthistorischen Referenzen, redaktionellen Aufnahmen und Ähnlichem.
Jedes Bild ist auch ein Akt der Zurückhaltung, ein Mittel, um eine pauschale Erzählung abzulehnen. Der Betrachter erhält nur einen flüchtigen Einblick in jede Szene, ohne dass ihm eine eindeutige Interpretationsmöglichkeit geboten wird. In „Up to nowhere“ beispielsweise sieht man eine Frau in Weiß, die eine unheimliche Treppe hinaufkriecht, wobei das Wo und Warum als zentrale Fragen offen bleiben. Dies entspricht einem der Hauptanliegen von Towers, nämlich der Darstellung des Subjekts. Während ihre Figuren oft isoliert dargestellt werden, zeigt „Heart locket“ zwei Frauen, die in eine seltsame Handlung verwickelt sind. Wird das Subjekt im Vordergrund von der hinter ihr stehenden Person angezogen oder ausgezogen? Auch der Kontrast zwischen den dargestellten Stoffen löst etwas aus: Die Härte des Leders steht im Gegensatz zur Weichheit eines Nachthemds.
Die Gegensätze und Gemeinsamkeiten zwischen den Werken von Noelia Towers und Birgit Jürgenssen kommen hier gut zum Ausdruck. Beim Gang durch die ausgestellten Multimedia-Arbeiten nehmen Ideen und ästhetische Übereinstimmungen Gestalt an und lassen eine beeindruckende Zusammenarbeit erkennen.
— Reilly Davidson
