Die andere Seite

Spiegel und Spiegelungen in der zeitgenössischen Kunst
21er Haus, Wien
18.06.14 bis 12.10.14

Mit der Ausstellung Die andere Seite - Spiegel und Spiegelungen in der zeitgenössischen Kunst beleuchtet das Belvedere unterschiedliche ästhetische und symbolische Aspekte der reflektierenden Fläche. Diese hat traditionell – von der Antike bis heute – kunst- und kulturgeschichtliche Bedeutung. So repräsentierte der Spiegel in antiken Kulturen das Abbild der Seele, er stand in der Kunst des europäischen Mittelalters sowohl für Keuschheit, Vergänglichkeit, Sinnesfreude als auch für Putzsucht und war im Barock ein Symbol der Vanitas. Er gilt als Medium der Selbstwahrnehmung, als Gerät der narzisstischen Selbstverdoppelung sowie als Kultgegenstand magischer Beschwörung übersinnlicher Kräfte. Seine metaphorischen Bedeutungen sind vielfältig und widersprüchlich. In der zeitgenössischen Kunst hat die Beliebtheit des Spiegels viele Ursachen: So bringt er in einer zunehmend säkularen Zeit die Ebenen der Transzendenz und der Magie ins Spiel, er betont auch jenen Aspekt der narzisstischen Selbstüberhöhung, der in einer medialen Umgebung von Castingshows, Model-Wettbewerben und Talkrunden zu einer gesellschaftlichen Leitidee wurde. Die Märchenfrage Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die/der Schönste im ganzen Land? wird im Rahmen ebendieser TV-Formate täglich neu gestellt – gewissermaßen als Wiederauflage des barocken Vanitas-Motivs. mehr

Im 20. Jahrhundert emanzipierte sich der Spiegel vom Objekt der Darstellung zum Material sowie zum Gegenstand der Kunst selbst. Er wird sowohl Trägermedium als auch Kristallisationspunkt philosophischer und psychologischer Auseinandersetzung.
Heimo Zobernigs zerbrochene und blinde Spiegel nehmen ihm die Illusionsfunktion und machen ihn einfach zu Material, während Michelangelo Pistolettos Mixed-Media-Arbeiten reale Spiegel mit Malerei oder Skulptur verknüpfen und so den jeweiligen Betrachter aktuell in den Bildinhalt einbeziehen. Die Spiegelikonografie erhielt nicht zuletzt durch die Medien Foto, Video und Film neue Facetten. So unterziehen beispielsweise Cindy ShermansUntitled Film Stills die Konstruktion von eskapistischen Scheinuniversen durch die Traumfabrik Hollywood einer ironischen Revision, lässt Jean Cocteau Jean Marais durch den Spiegel in ein Paralleluniversum treten. Douglas Gordon dagegen thematisiert den Spiegel als Requisit der Ichkonstruktion. Er loopt die berühmte Szene aus Martin Scorseses Film Taxi Driver, in der Robert de Niro ein Alter Ego als knallharter Killer aufbaut.

Die Ausstellung Die andere Seite - Spiegel und Spiegelungen in der zeitgenössischen Kunst zeigt Skulptur, Installation, Fotografie, Video und Film, u. a. von John Armleder, Pierre Bismuth, Jean Cocteau, Elmgreen & Dragset, Isa Genzken, Douglas Gordon, Joan Jonas, Birgit Jürgenssen, Elke Silvia Krystufek, Bruno Peinado, Michelangelo Pistoletto, Gerold Tagwerker, Franz West, Erwin Wurm und Heimo Zobernig.

Belvedere, Wien; Foto: Gregor Titze, Wien

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