Achim Manthey
Bilder auf nackter Haut - subversiv, ironisch, weiblich

Eine Ausstellung in München zeigt Arbeiten der österreichischen Künstlerin Birgit Jürgenssen aus der Reihe "Körperproduktionen" und stellt eine fast Unbekannte vor - ein Glücksfall.

Die Welt ist rund. Der menschliche Körper, zumal der weibliche, ist es hin und wieder auch. Das macht sich Birgit Jürgenssen zunutze. Eine stilisierte Erdkugel hat die Künstlerin auf ihrem Bauchnabel plaziert, linksdrehend umkreist von einem überdimensionierten Sputnik (ed14). Auf einem anderen Bild liegt das aus Daumen und Zeigefinger gebildete, kreisförmige Verächtlichkeitszeichen auf einer flach ausgebreiteten Hand mit angespreizten Fingern (ed39); Das Motiv findet sich auf einem weiteren Bild wieder, dort auf einem Oberschenkel (ed21). mehr

Die Reihe "Körperprojektionen", 1987/88 entstanden, zeigt Fotos von Fotos. Die Künstlerin hat hierbei Zeichen, Schatten, Zeichnungen oder Symbole auf ihre nackte Haut projiziert. Entstanden sind Arbeiten voller poetischer, sinnlicher, rätselhafter, auch ironischer und kämpferischer Anspielungen, in denen es um den Körper der Frau als Projektion und Projektionsfläche geht. Gefäß- und Vasenformationen für die Ikonografie des Weiblichen kommen vor, andere Fotografien geben die Frau als Raubtier wieder.

Birgit Jürgenssen wird 1949 in Wien geboren. Von 1968 bis 1971 studiert sie dort an der Hochschule für angewandte Kunst, wo sie von 1982 bis 1997 verschiedene Lehraufträge wahrnimmt. Die Lehrtätigkeit ist ihr enorm wichtig. Das mag der Grund dafür gewesen sein, dass ihr Oevre zu Lebzeiten nicht die verdiente Anerkennung fand. 2003 erliegt sie in Wien einem Krebsleiden. Erst nach ihrem Tod beginnt ihr Lebensgefährte und Galerist Hubert Winter mit der systematischen Sicherung und Aufbereitung des künstlerischen Nachlasses. 2010 gab es eine erste große Retrospektive in Wien zu sehen.

Die Künstlerin zählt heute zu den wichtigsten Protagonisten der österreichischen Avantgarde. Feministin im Herzen, nutzt sie die Möglichkeiten, die der Surrealismus der Emanzipation bietet, zur Auseinandersetzung mit gesellschaftskritischen Themen und der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Sie greift dabei bewußt tief auch in den Topf der Symbolik. Der Einsatz von Humor und Ironie als Ausdrucksformen stellt für sie dabei keinen Widerspruch dar. "Frauen und Ironie ist, so wie Frauen und Humor, nach wie vor ein Tabuthema", sagte sie einmal. " Der Preis dafür ist, auf weiten Strecken nicht ernst genommen zu werden."

Die Schachfiguren Dame und König sind in ihrer Gegensätzlichkeit punktgenau auf die weiblichen Waden gebaut (ed23). Dass es auch anders geht, spaßfrei nämlich, beweist sie mit zwei Bildern, in denen die Frau durch auf den Rücken gepinnte Fotos zur Raubkatze stilisiert wird (ed27) oder deren Brüste in einen Drahtkäfig verspannt sind (ed31). Sehr zärtlich, poetisch wiederum ist die Darstellung einer Wirbelsäule auf ihrer, der echten Wirbelsäule (ed40). Das ist zauberhaft.

Die Münchner Ausstellung zeigt mehr als 20 Aufnahmen der aus 60 Bildern bestehende Reihe. In dieser Fülle war das bislang nicht zu sehen. Die Schau stellt eine weitgehend Unbekannte vor und ist in jeder Hinsicht spannend und beachtenswert.

Bis zum 26. Mai 2012 in der Galerie Jordanow, Fürstenstraße 11 in München, Mi-Fr 14-19 Uhr, Sa 10-16 Uhr. Eintritt frei.

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