Markus Mittringer
Die Weigerung, sich festzulegen. Galerie Hubert Winter
In: Der Standard, Printausgabe, 26.3.2009, S.32.

Birgit Jürgenssen (1949-2003) hat in Konstellationen gedacht, in den Beziehungsfeldern gegraben, die sich zwischen den Geschlechtern und ihren so opponierenden Ding- und Symbolwelten aufbauen. Mit ihrem Körper als Mittler, nicht als abzubildendes Objekt, sondern als Gegenstand der Beziehungen mit anderen, als Projektionsfläche sozialer Ordnungen, als Ziel diverser männlicher Obsessionen, als Rezeptor von Lust und Schmach, als zugleich Manipulierter und Manipulierer.
Reflexionen auf den Mythos der Macht männlichen Wunschdenkens haben sie dorthin gebracht, die angewiesene Rolle der Verführten nicht länger hinzunehmen, sondern ihrerseits zu verführen. Wer in ihrer Arbeit Realität sucht, wird Illusion finden, wer manisch den Schleier zu lüftet trachtet, den Verlust der Sinnlichkeit erfahren müssen. 
Stellvertretend hat sie ihren Körper publik gemacht, ihre Haut gegeben, für uns die unzähligen Projektionen aufzufangen, die auf sie, die auf jene Frau gerichtet sind. "Ich weiß nicht", wusste sie, ist jener Satz der all den Helden fehlt, die täglich diese Welt vernichten. "Woman's work is never done", wusste sie auch, und sezierte lächelnd weiter am Gesellschaftskörper, obwohl sie doch mit Lawrence Weiner schon einen Mann auf die Seite der Damen gebracht hatte. "Ich weiß nicht", wusste sie, ist der einzige Zustand, Zukunft zu ermöglichen, die Weigerung, sich festzulegen, der entscheidende Schritt in Richtung Morgen, der Verzicht anzuklagen, der Weg, Gerechtigkeit zu installieren. Hubert Winter zeigt eine Auswahl von Arbeiten aus den 1980er-Jahren.

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