Der Protest ist weiblich
„Female Sensibility" im Lentos Kunstmuseum Linz
Der Protest ist weiblich
Männer, aufgepasst! Die Ausstellung „Female Sensibility" zeigt bis 9. Januar 2022 im Lentos Kunstmuseum Linz Kunst der ,,feministischen Avantgarde" aus der Sammlung Verbund.
Die Namensliste dieser Schau versammelt ausschließlich weibliche Positionen. Von VALIE EXPORT und Eleanor Antin über Annette Messager, Ulrike Rosenbach und Martha Rosler bis zu Annegret Soltau und Hannah Wilke: 82 Künstlerinnen der so bezeichneten „feministischen Avantgarde" nehmen mit über 200 Werken an der Ausstellung teil.
Die gezeigten Werke stammen aus der Sammlung Verbund, der Unternehmenssammlung des größten österreichischen Energieerzeugers. Gabriele Schor ist die Gründungsdirektorin dieser viel beachteten und in ihrem Umfang wohl einzigartigen Sammlung, die bereits in zahlreichen internationalen Museen zu Gast war. Gabriele Schor prägte auch den Begriff der „feministischen Avantgarde", der bereits in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Es geht darum, zu untersuchen, wie Künstlerinnen aus unterschiedlichen Ländern seit den 1970er-Jahren ein neues „Bild der Frau" kreierten und ganz im Sinne der 68er-Bewegung das Private politisch machten. Dabei entwickelten sie nicht nur neue, oft provokante Bildstrategien, sondern arbeiteten außerdem in damals neuen Medien wie Video, Film oder Performance. mehr
Künstlerinnen wie Gabriele Stötzer in der DDR rebellierten gegen repressive Systeme. Andere thematisierten Rassenhass und die Unterdrückung schwarzer Frauen und Kinder, etwa die gerade wiederentdeckte US-Amerikanerin Lorraine O'Grady, oder sie lehnten sich gegen sexuelle Gewalt in einer männerdominierten Gesellschaft auf wie etwa die Österreicherin VALIE EXPORT.
Die Linzer Schau ist in fünf Kapitel gegliedert. Auf dem Parcours lässt sich nachspüren, dass sich das emanzipatorische Aufbegehren der Frauen nach 1968 von der Straße durchaus auch auf den häuslich-privaten Bereich verlagerte. Ein Paradebeispiel dafür ist Martha Roslers ikonisches Video ,,Semiotics of the Kitchen" aus dem Jahr 1975.
Erstmals im Lentos Kunstmuseum sind 34 internationale Positionen aus Lateinamerika, Nordamerika sowie West- und Osteuropa hinzugekommen. Vor dem Hintergrund der Black-Lives-Matter-Bewegung lesen sich die Arbeiten speziell der afroamerikanischen Künstlerinnen noch einmal ganz neu. Ein weiterer Schwerpunkt der Schau liegt auf der feministischen österreichischen Kunst, die mit 17 Positionen vertreten ist. Spätestens seit ihrer Teilnahme an der letzten Biennale von Venedig im österreichischen Pavillon ist die Wienerin Renate Bertlmann, Jahrgang 1943, auch einem größeren Publikum außerhalb Österreichs bekannt geworden.
Humor, Ironie, Sensibilität und Kampfbereitschaft kennzeichnen das Werk vieler der gezeigten Künstlerinnen. Da nicht wenige von ihnen lange Zeit vom männlich dominierten Kunstbetrieb ausgeschlossen wurden, organisierten sie sich selbst und gründeten eigene Zirkel und Netzwerke, die zum Teil bis heute bestehen. So gründeten Judy Chicago und Miriam Schapiro 1972 den feministischen Ausstellungsort „Womanhouse" in Kalifornien. Ihre im April verstorbene Kollegin Mary Beth Edelson hingegen organisierte die erste große Frauenkonferenz der bildenden Künste in Washington. Initiativen wie diese sorgten dafür, dass heutzutage sensibler auf den Anteil von Künstlerinnen bei großen Gruppenausstellungen und Sammlungspräsentationen geachtet wird. Das Museum of Modem Art in New York präsentiert sich hier beispielsweise als Vorreiter.
Dennoch sind Ausstellungen wie „Female Sensibility" umso wichtiger, als die historische Wirkungskraft der „feministischen Avantgarde" hier einmal mehr umfassend und eindrucksvoll vor Augen geführt wird.