Mit den klaren Worten „Wir zeichnen“ beginnt die achtjährige Birgit Jürgenssen die erste Seite eines Schulheftes mit Skizzen nach einigen Bildern Pablo Picassos zu füllen. Seite um Seite nimmt sie sich des oeuvres des spanischen Künstlers an und kopiert – mal näher am Original, mal freier – die seinerzeit viel bewunderten Werke. Insgesamt entstehen so 17 Zeichnungen, die mit Ausnahme einer durchgestrichenen Skizze allesamt mit einer Beschriftung versehen wurden. Die meisten dieser Beschriftungen verweisen zwar auf den dargestellten Inhalt, entscheidend für die Wirkung der kindlichen Zeichnungen jedoch ist die sich wandelnde Signatur. Zunächst eignet sich das Mädchen nur den Wortklang des großen Vorbildes an und unterzeichnet mit „Birgit BICASSO Jürgenssen“, doch im weiteren Verlauf lässt sie ihren „eigentlichen“ Vornamen fallen. „BICASSO Jürgenssen“ steht von da an für die Verschmelzung zweier Namen und zweier Welten: Einerseits zeichnet die Achtjährige, einer nicht ungewöhnlichen Praxis folgend, dasjenige ab, was im Umfeld einer offenkundig musisch interessierten Familie auf ihr Interesse stößt. Andererseits geht Birgit Jürgenssen einen entscheidenden Schritt weiter als vergleichbare Kinder, denn sie verlangt sich mehr ab, als nur eine Kopistin zu sein. Die kleine Künstlerin beansprucht vielmehr ihren eigenen ästhetischen Raum in der sinnstiftenden Identifikation mit der Person Picassos. mehr

In dieser Identifikation liegt bereits ein ostinates Motiv im späteren Werk der Wiener Künstlerin. Immer wieder gewinnt sie schöpferische Kraft aus dem Dialog mit persönlichen Prägungen. Vor allem die kritische und zugleich subtile Befragung ihrer gesellschaftlichen Rolle als Frau – oft als Kern ihres künstlerischen Werks angesehen – speist sich aus der Auseinandersetzung mit wechselnden Vorbildern. Das Erschließen kulturell geprägter Bezugspunkte und deren bildnerische Einverleibung nutzt die Künstlerin zur Erweiterung der eigenen Identität, indem sie ihr Ich kontinuierlich aus unterschiedlichen Identitäten neu synthetisiert. Im Bezug auf das „Frühwerk“ BICASSO Jürgenssen geschieht dieser Entgrenzungsvorgang dem Alter entsprechend gewiss auf einer intuitiven Ebene, doch mit der späteren Aufnahme des „Erstlingsbuchs“, wie der 1994 publizierte Faksimiledruck von der Künstlerin bezeichnet wird, in ihr oeuvre misst Birgit Jürgenssen der kindlichen Begegnung mit Picasso eine initiale Rolle für ihre zeitlebens andauernde Auseinandersetzung mit den eigenen Ich-Beziehungen bei.

Mit den klaren Worten „Wir zeichnen“ beginnt die achtjährige Birgit Jürgenssen die erste Seite eines Schulheftes mit Skizzen nach einigen Bildern Pablo Picassos zu füllen. Seite um Seite nimmt sie sich des oeuvres des spanischen Künstlers an und kopiert – mal näher am Original, mal freier – die seinerzeit viel bewunderten Werke. Insgesamt entstehen so 17 Zeichnungen, die mit Ausnahme einer durchgestrichenen Skizze allesamt mit einer Beschriftung versehen wurden. Die meisten dieser Beschriftungen verweisen zwar auf den dargestellten Inhalt, entscheidend für die Wirkung der kindlichen Zeichnungen jedoch ist die sich wandelnde Signatur. Zunächst eignet sich das Mädchen nur den Wortklang des großen Vorbildes an und unterzeichnet mit „Birgit BICASSO Jürgenssen“, doch im weiteren Verlauf lässt sie ihren „eigentlichen“ Vornamen fallen. „BICASSO Jürgenssen“ steht von da an für die Verschmelzung zweier Namen und zweier Welten: Einerseits zeichnet die Achtjährige, einer nicht ungewöhnlichen Praxis folgend, dasjenige ab, was im Umfeld einer offenkundig musisch interessierten Familie auf ihr Interesse stößt. Andererseits geht Birgit Jürgenssen einen entscheidenden Schritt weiter als vergleichbare Kinder, denn sie verlangt sich mehr ab, als nur eine Kopistin zu sein. Die kleine Künstlerin beansprucht vielmehr ihren eigenen ästhetischen Raum in der sinnstiftenden Identifikation mit der Person Picassos.

In dieser Identifikation liegt bereits ein ostinates Motiv im späteren Werk der Wiener Künstlerin. Immer wieder gewinnt sie schöpferische Kraft aus dem Dialog mit persönlichen Prägungen. Vor allem die kritische und zugleich subtile Befragung ihrer gesellschaftlichen Rolle als Frau – oft als Kern ihres künstlerischen Werks angesehen – speist sich aus der Auseinandersetzung mit wechselnden Vorbildern. Das Erschließen kulturell geprägter Bezugspunkte und deren bildnerische Einverleibung nutzt die Künstlerin zur Erweiterung der eigenen Identität, indem sie ihr Ich kontinuierlich aus unterschiedlichen Identitäten neu synthetisiert. Im Bezug auf das „Frühwerk“ BICASSO Jürgenssen geschieht dieser Entgrenzungsvorgang dem Alter entsprechend gewiss auf einer intuitiven Ebene, doch mit der späteren Aufnahme des „Erstlingsbuchs“, wie der 1994 publizierte Faksimiledruck von der Künstlerin bezeichnet wird, in ihr oeuvre misst Birgit Jürgenssen der kindlichen Begegnung mit Picasso eine initiale Rolle für ihre zeitlebens andauernde Auseinandersetzung mit den eigenen Ich-Beziehungen bei.

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