Birgit Jürgenssen
Die Beschreibung der Ausstellung
In: Ausst. Kat. Die schwangere Muse (Wien: Akademie der Bildenden Künste, 1992), S. 15-16.

Sir:
Liebe, zur Kunst, und Hochzeit, der Kunst
(eine unreine Abweichung)
gehören zusammen wie Pferd und Wagen.
Man kann nicht eines, man kann keines
ohne das andere haben.
Ad Reinhardt, New York, NY

Mit der Ausstellung  ,,Die schwangere Muse“ wurde der Versuch unternommen, mit einer kleinen Werksauswahl auf die Schätze der Sammlungen der Akademie hinzuweisen, in einem persönlichen, emotionalem Bezug zur Gegenwart.

Die Sammlungen der Akademie dienen den Studierenden der Akademie auch zu Studienzwecken, die bei der Betrachtung dieser und anderer Kunstwerke von der ideenschwangeren Muse inspiriert werden sollten, könnten…

Die Ausstellung hat drei Schwerpunkte, die den fachlichen Unterteilungen der Sammlung entsprechen, das ist die Gemäldegalerie, das Kupferstichkabinett und die Glyptothek.

In der Mitte der Aula sind die aus der Glyptothek ausgewählten Gipsbüsten in der Weise aufgestellt, wie sie in einem kleinen Zimmer in der Kartause von Mauerbach archiviert sind. mehr

Der einzige Unterschied ist der Teppich, der einerseits als Podest, andererseits als Zitat auf das Wohnzimmer (der Gegenwart) zu verstehen ist. Der Zeitgeschmack, in Fachzeitungen über Wohnen heute vielfach dokumentiert, fordert die Einrichtung mit der Antike, von griechischen oder römischen Säulen, Amphoren, Büsten bis zur pompejanischen Wandbemalung.

Aus der wertvollen Sammlung des Kupferstichkabinetts wurden sechzehn Graphiken auf Grund der besonderen Qualität und mit Hinblick auf die Sinnlichkeit der Darstellung ausgesucht. Ein Porträt, ein Körper, eine Landschaft gleichermaßen können sinnlich-erotische Kraft ausstrahlen.

Diesen Graphiken gegenüber ist ein langes, geschwungenes Lesepult aufgestellt, auf dem die Kataloge von Künstlern und Künstlerinnen präsentiert sind, deren Arbeiten sich mit dem Thema der Antike, der Historie oder mit der Idee einer Sammlung und dem begriff des Museums auseinandersetzen. Diese Auswahl zeigt nur einige der vielen Möglichkeiten von künstlerischen Interpretationen.

Die Gemäldegalerie ist mit sechs Meisterwerken vertreten. Die Auswahl der Gemälde, wie die der Graphiken, war von konservatorischen Bedingungen abhängig. Aber auch hier wurden Werke nach sinnlichen Kriterien, sei es auf die Darstellung oder auf das Thema bezogen, ausgewählt. Diese Gemälde werden, auf Staffeleien gestellt, zwischen durchsichtigen Vorhängen präsentiert. Diese Vorhänge zitieren den begriff der Zeit, der Vergangenheit, des Erscheinens und Verschwindens eines Kunstwerks in der Erinnerung.

Die Frage ,,Lassen sie sich heute noch von einem antiken Kunstwerk verführen?“ wurde an etwa 100 Künstler gestellt, von denen 40 antworteten. Diese Antworten sind auf die Vorhänge projiziert und neben den halb sichtbar/verborgenen Gemälde zu lesen.

Die Einschränkung auf das antike Kunstwerk wurde bewusst gewählt, um eine Unmittelbarkeit einer illustrierend-historischen antwort zu vermeiden. Die Antike ist auch ein Begriff, zu dem man nahezu jeder Befragte eine Assoziation finden kann. Antik können auch Sammlungen und Museen wirken, sofern man keinen Bezug zur Gegenwart setzt, um diese dadurch neu erscheinen zu lassen. Die Problematik von historischen Kunstwerken heute ist, dass diese aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen gerissen sind und auf alle Museumsorte der Welt verstreut, nur mehr isoliert betrachtet werden können.

Es gibt aber auch den spontanen, emotionalen Zugang zum Kunstwerk; es zu lieben auf Grund des ersten Augenblicks. Ein historisches Kunstwerk (und es ist nicht der vergangene Augenblick bereits Historie) kann aus vielen Gründen zum persönlichen Fetisch, zur Obsession werden. Daher die Frage nach der Verführung. Die Leidenschaft schließt den Bogen von der Gegenwart zur Vergangenheit und umgekehrt. Im Idealfall bekommt die Geschichte Sinn und Bedeutung.

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