Der Tod der Hausfrau
Der Tod der Hausfrau
Das Linzer Museum Lentos zeigt aufregende feministische Avantgarde aus den 1970er-Jahren.
Das Bügeln, eine klassische Hausfrauentätigkeit, ist langweilig, aber es lädt auch dazu ein, die Gedanken schweifen zu lassen. Wenn eine Künstlerin wie Karin Mack sich des Themas annimmt, wird daraus ein Bügeltraum – so der Titel ihrer vierteiligen Fotoserie aus dem Jahr 1975. Man sieht die feministische Aktivistin in meditativer Versenkung bei der konzentrierten Arbeit mit dem Plätteisen. Beim letzten Bild Hausfrauentod liegt sie selbst reglos auf dem Bügelbrett – ganz in Schwarz wie eine trauernde Witwe. Die Beschreibung dazu: "Jetzt ist Schluss mit der Hausfrauenarbeit, auf zu neuen Ufern."
Karin Mack, geboren 1940 in Wien, ist eine von 82 Künstlerinnen der Ausstellung Female Sensibility – Feministische Avantgarde aus der Sammlung Verbund , die am vergangenen Donnerstag im Linzer Kunstmuseum Lentos eröffnet wurde. Es ist eine Gemeinschaftsproduktion, für die Lentos-Direktorin Hemma Schmutz und Gabriele Schor, die Leiterin der Wiener Sammlung Verbund, mehr als 200 Werke ausgesucht haben. Female Sensibility ist das aktuelle Kapitel einer erstaunlichen Erfolgsgeschichte, denn die feministische Avantgarde, gespeist aus den Werken der Kollektion, ist schon seit mehr als zehn Jahren auf Tour: Man gastierte unter anderem in London, Rom und Madrid, wobei das Programm immer ein wenig changierte und den Interessenlagen und ästhetischen Bedürfnissen der jeweiligen Gastgeber angepasst wurde: Kunst von Frauen scheint im Trend zu liegen – endlich! mehr
Als Gabriele Schor 2004 das Angebot erhielt, für den Energieriesen Verbund eine Kunstsammlung aufzubauen, erzählt sie, sei ihr klar gewesen, dass sie ein Alleinstellungsmerkmal definieren müsse. Und da habe sie sich für die bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend ignorierte feministische Avantgarde der 1970er-Jahre entschieden: "Diese Künstlerinnen haben ein neues Bild der Frau geschaffen, aus der Perspektive der Frau."
Natürlich enthält die Sammlung auch Werke von Valie Export, der längst etablierten Galionsfigur einer politisch engagierten weiblichen Kunst in Österreich. Doch darüber hinaus wurden zahlreiche neue Namen ins Spiel gebracht, darunter jener der Fotografin Karin Mack, der Konzept- und Medienkünstlerin Margot Pilz und der Filmemacherinnen Friederike Pezold und Linda Christanell.
Die erfolgreichste Wiederentdeckung von Gabriele Schor ist jedoch die Performance- und Multimediakünstlerin Renate Bertlmann, die Österreich bei der Biennale di Venezia im Jahr 2019 als erste Frau mit einer Einzelausstellung vertreten durfte.
Beachtliche 17 österreichische Positionen markieren denn auch die Kernzone der international ausgelegten Ausstellung Female Sensibility im Kunstmuseum Lentos. Wenn man den gewaltigen Raum durchquert, dann fällt auf, dass hier nichts von einer ideologisch verkniffenen, didaktischen Belehrungskunst zu sehen ist, die man dem Feminismus der 1970er-Jahre oft unterstellt. Die weibliche Sensibilität manifestiert sich vielmehr als Lust zur Nacktheit und zum selbstermächtigten sexuellen Spiel in den unterschiedlichsten Varianten. Als Verkleidungs- und Selbsterfindungskarneval, der mit Scherz, Satire und Ironie klischeebehaftete Frauenbilder auseinandernimmt und neue Sehnsuchtshorizonte zwischen dandyistischer Marlene-Dietrich-Pose und expliziter Erotik erschließt.
Auffällig sind viele Arbeiten, die Grenzen, Einengungen und Verbotszonen thematisieren: Künstlerinnen schnüren sich in Fotoserien selbst ein; sie bandagieren ihre Körper wie Mumien oder pressen ihre Gesichter an transparente Glasscheiben, um auf diese Weise einen deformierten Ausdruck ihrer Mimik zur Schau zu stellen. "Solche symbolischen Visualisierungen der gesellschaftlichen Benachteiligung der Frau lagen offenbar in der Luft", erzählt Gabriele Schor. "Denn ich habe ähnliche Arbeiten bei den unterschiedlichsten Künstlerinnen auf verschiedenen Kontinenten gefunden – und die konnten häufig gar nichts voneinander wissen." Um ihre feministisch und psychoanalytisch grundierten Visionen umzusetzen, benutzten die feministischen Künstlerinnen Medien wie Zeichnung, Performance, Fotografie, Video, Film oder Multimedia – die traditionell männlich besetzte Malerei mit ihrem Meisterhabitus bleibt hingegen weitgehend ausgespart.
Es geht in der Ausstellung Female Sensibility auch um ein Korrekturprogramm zur herkömmlichen Kunstgeschichtsschreibung. Im Zuge der Vorbereitung, sagt Hemma Schmutz, habe sie nachsehen lassen, wie viele Werke von weiblichen Künstlern in der Sammlung des Lentos seien: "Es war ernüchternd: nicht mehr als 14,8 Prozent." Es wird also noch ein langer Weg sein, um die feministische Avantgarde dauerhaft in den Museen und im kollektiven Bewusstsein zu verankern. Gabriele Schor allerdings motiviert sich positiv und betont, dass ihr kuratorisches Wirken ein ongoing project sei: "Diese Arbeiten waren seinerzeit völlig neu und sind bis heute relevant – vor allem für junge Künstlerinnen. Darum gebührt ihnen der Titel Avantgarde."